Sylter Runde: Demographischer Wandel, Chancen oder Risiken? am 12./13.März 2009

Zur Sylter Runde traffen sich Wirtschaftssenatoren zum Dialog mit Politikern und Wissenschaftlern, um zu aktuellen Themen gemeinsame Lösungen zu finden.

Termin: 12. + 13. März 2009

Ort: Westerland auf Sylt 

Thema : Demographischer Wandel, Chancen und Risiken (Globalisierung mit Auswirkungen auf Europa)

Teilnehmer: maximal 16 Teilnehmer

Der demographische Wandel stellt nach zuverlässigen Aussagen eine der größten globalen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts da. Er betrifft in besonderer Weise auch die Bundesrepublik Deutschland und weite Teile der Europäischen Union. Seine gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen lassen sich nicht auf Fragen der Altersicherung und eines steuer- und versicherungspolitischen Generationenkonflikt beschränken. Die Herausforderung ernst zu nehmen, schließt insbesondere auch Überlegungen und Konzeptionen sein, wie die mit ihr verbundenen Chancen erkannt und genutzt werden können.

Demographischer Wandel - Chancen und Risiken

Konzeptvorschläge für eine unabhängige, zukunftsweisende und professionelle Behandlung der weltweiten, strukturellen Bevölkerungsentwicklung und seine Auswirkungen auf Europa.

Ausgangslage

Die Fakten zu strukturellen Bevölkerungsentwicklungen sind statistisch gut aufgearbeitet und liefern ein klares Bild des durchschnittlichen Alterungsprozesses und der wahrscheinlichen Lebenserwartungen (unter normalen Bedingungen). Die politische Diskussion konzentriert sich bisher weitgehend auf die damit verbundenen Fragen der Alterssicherung, insbesondere der Einkommensverhältnisse und der Gesundheitsfürsorge. Die Antworten sind Parteien übergreifend wenig differenziert und kreisen im Wesentlichen um erweiterte Rentensysteme, eine Stärkung der Bevölkerung durch gezielte Zuwanderungen und einen Ausbau des Gesundheits- bzw. Pflegesystems. Dabei werden interne Anpassungen thematisiert – wie etwa familiäre Solidarität vs. staatliche Fürsorge, Rentenalter-Verschiebungen sowie Beschäftigungsbedingungen für über fünfzigjährige Arbeitnehmer.

Offene Fragen

Die bisherigen Fragestellungen greifen zu kurz, da sie das grundsätzliche Problem zu stark isolieren. Ist die demographische Entwicklung in Deutschland nur ein nationales Problem? Wie sieht es in anderen EU-Staaten aus? Haben auf globaler Ebene nicht auch viele andere Nationen im Zuge des Fortschritts ihrer wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklungen mit vergleichbaren Problemen zu kämpfen? Was bedeutet die erkennbare Umstrukturierung der Bevölkerung in den betroffenen Regionen im globalen Kontext?
Welche Antworten lassen sich schon heute im internationalen Vergleich (z.B. mit Japan, wo eine Zuwanderung kategorisch abgelehnt wird) finden? Lassen sich durch technologische Entwicklungen, trotz des Technologie Paradoxons, durchgreifende und nachhaltige Lösungen erwarten? Reicht die Methusalem- und Jugendwahndebatte aus, um in einer überschaubaren Zukunft konstruktive gesamtgesellschaftliche Wohlstandslösungen zu finden?

Herausforderungen

Die Herausforderungen liegen eigentlich auf der Hand: Es geht nicht alleine um das gute oder bessere Überleben der Älteren sowie um die Sorgen der Jüngeren bezüglich der Generationslast, sondern vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung. Es muss klar dargelegt werden, von welcher Grundposition aus diese Aufgabenstellung angegangen werden soll. Will man nur Schadensbegrenzung betreiben, um die Risiken für die verschiedenen Altersklassen (fast in statischer Betrachtung, obwohl die Jungen von heute doch die Alten von Morgen sein werden) sinnvoll zu begrenzen. Oder: Greifen wir das Phänomen ganzheitlich und nachhaltig auf, indem nach den Chancen einer derartigen nationalen Entwicklung im globalen Kontext gefragt wird. Letzteres bedeutet, die anstehende Herausforderung konstruktiv aufzugreifen. Neue Bedürfnis- und Bedarfstrukturen sind zu definieren, und die sich daraus ergebenden Veränderungen für Nachfragen und schließlich ganze Marktentwicklungen müssen erforscht werden. Die Konzentration auf den so genannten Gesundheitsmarkt reicht nicht aus. Wie aber werden Anbieter im Laufe der Zeit und im nationalen Vorgriff mit ihren Innovationen darauf reagieren? Die unternehmerischen Initiativen, einschließlich denen der Social Entrepreneurs, werden, im Rahmen modifizierter staatlicher Rahmenbedingungen als Promotoren, hin zu einem neuen gesellschaftlichen Gleichgewicht, im Blickpunkt stehen. Zumindest dann, wenn wir unsere demokratische Grundordnung mit dem Modell der Sozialen Marktwirtschaft weiterhin lebendig halten wollen.
Hierzu müssen Antworten und Lösungen u.a. auf folgende Fragen gefunden werden:

  • Wie muss Europas Entwicklungshilfe- und Einwanderungspolitik einem weltweiten Bevölkerungszuwachs von ca. 1,5 Mrd Menschen in den nächsten 20 Jahren angepasst werden?
  • Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die weltweite Nahrungsmittelversorgung der Menschen und was bedeutet das für den europäischen Kontinent?
  • Wie können Wirtschaft und Politik gemeinsam eine Zukunft für nachfolgende Generationen gestalten in einer Welt, in der die Menschen um Nahrung und Wasser ringen?
  • Welche Visionen, Bildung und Hilfen brauchen die Menschen in Entwicklungsländern (mit überproportionalem Bevölkerungswachstum), um an den Orten, an denen sie geboren werden zu bleiben, zu arbeiten und zu leben?

Mission

Wollen wir Chancen und Risiken richtig einschätzen, müssen die Herausforderungen ideologiefrei, aber nicht ohne ethische Fundierung, aufgegriffen werden. Lösungen mit sehr langfristigen Perspektiven sind inter-, ja multidisziplinär, und unter Beachtung der unterschiedlichen Blickwinkel der fundamentalen Interessen gesellschaftlicher Teil-Systeme (Luhmann) zu erarbeiten. Sie sind mit langem Atem, über die zeitlichen Grenzen politischer Aktionsräume hinweg, in die Realisierung zu führen.

Strategie

Ein erster Schritt könnte das EWS-Projekt sein, das sich nicht Ressourcen orientiert mit den „Grenzen des Wachstums“ beschäftigt, sondern sich vielmehr Kompetenz basiert der Aufgabe widmet, die schöpferischen nationalen, europäischen und weltweiten Potenziale auszuloten, die zur Begegnung der anstehenden Herausforderung vorhanden sind. Wie können wir im globalen Wettbewerb unter sich gravierend verändernden Randbedingungen unsere Positionen erhalten und vielleicht sogar verbessern? Und dies entsprechend dem Motto „Act local and think global!“.
Ein Kreis kompetenter Projektpartner sollte den Kern bilden, um auf breiter Basis die notwendigen Analysen, Szenarien und Aktionsmodelle zu strukturieren. Eine zugeordnete Projektgruppe würde die notwendigen Projektstudien konzipieren und realisieren, dies vor allem auch unter Einschaltung einschlägiger Experten aus Politik und Wissenschaft. Der Europäische Wirtschaftssenat und sein Wissenschaftlicher Beirat sind Träger dieses Projektes gesellschaftlicher Entwürfe und Innovationen zur Überwindung der demographischen Falle. Die Projektergebnisse sollten dann den EWS-Senatoren zur Diskussion vorgelegt und letztlich als verabschiedete Empfehlungen in die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsgremien hinein getragen werden.

Prof. Dr. Norbert Szyperski
Wolfgang Franken