EWS Mitgliederversammlung und EWS Wirtschaftsgespräche in München (D), 17. November 2011
EWS Mitgliederversammlung 2011 und EWS Wirtschaftsgespräche
mit Ehrengast Joachim Herrmann, Staatsminister des Innern des Freistaates Bayern
„Wirtschaftskriminalität - die unterschätzte Gefahr für Unternehmen!“
am 17. November 2011 ab 16.00 Uhr
in den Räumen der UBS Deutschland AG
Europaplatz 1, 81675 München
Hochkarätige Referenten informierten im Rahmen der Münchner EWS-Wirtschaftsgespräche Unternehmer, wie sie sich vor Wirtschaftskriminalität schützen können – auch der Bayerische Innenminister gab sich die Ehre.
Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann, Hamburgs ehemaliger Innensenator Udo Nagel, die frühere Frankfurter Leitende Oberstaatsanwältin Hildegard Becker-Toussaint und RETEGO-Geschäftsführer Peter Wiedemann entwickelten auf ganzer Bandbreite ein Szenario dem Unternehmer oft recht unvorbereitet gegenüberstehen.
Minister Herrmann stellte Bayern zwar als sicherstes Bundesland dar, das auch vielfältige Anstrengungen unternimmt, seine Wirtschaft vor Kriminalität zu schützen. Er machte aber deutlich, dass sich die Unternehmer vor allem selbst um Vorsorge bemühen müssen, da der Staat nur eingeschränkte Ressourcen zur Verfügung hat.
Auch Udo Nagel brachte es auf den Punkt: „Die Quintessenz ist: lassen Sie sich beraten. Um sich ge-gen Wirtschaftskriminalität wirkungsvoll zu wappnen bleibt nur, entweder dafür Fachleute einzustellen oder aber die notwendigen Leistungen einzukaufen. Mir ist bewusst, dass viele damit ein Problem haben, denn es kostet Geld und bringt fürs eigentliche Kerngeschäft erst mal gar nichts. Aber ich kann Ihnen sagen, Sicherheit kostet Geld und schützt ihr Kerngeschäft.“
Am Beispiel der aktuellen Korruptionsaffäre bei Media-Saturn, analysierte er Schritt für Schritt die Fehler, die gemacht wurden: Fehlende Compliance-Richtlinien; fehlende Compliance-Überwachung. Inzwischen 19 Personen in U-Haft. Riesiger Imageschaden, wenn die breite Kundschaft feststellen muss, das ihnen jahrelang DSL-Verträge verkauft wurden, die nicht unter „Geiz ist Geil“ zu subsumie-ren waren, sondern dass damit Bestechungsgelder in Millionenhöhe in höchste Kreise von Media-Saturn gezahlt wurden, so Nagel. Und nicht zu vergessen, die Wirkung nach innen auf 70.000 Mitar-beiter, wenn sich Personen aus dem Führungskreis offensichtlich skrupellos bedienen.
Peter Wiedemann von RETEGO erläuterte danach, wie Unternehmer oft hereingelegt werden: nicht durch im Dunkeln agierende Betrüger, sondern durch Geschäftspartner und eigene Mitarbeiter. Viele wissen überhaupt nicht mit wem sie ihre Geschäfte machen. Wer hat dort tatsächlich das Sagen, kommt das Unternehmen seinen Verpflichtungen nach und wer sind die wahren wirtschaftlich Berechtigten. Wichtig ist auch, welche Reputation das Unternehmen hat und ob Verbindungen zu dubi-osen Personen und Organisationen bestehen. Muss man auch nicht wissen, mögen manche Zuhörer gedacht haben, aber bei einer Verwicklung in Wirtschaftskriminalität wird heute auch der Geschäftsleitung ein strafbares Organverschulden vorgeworfen, wenn vorher nicht geprüft wurde, mit wem man Geschäfte macht oder wen man einstellt.
Deutsche Unternehmen sind inzwischen erheblichen strafrechtlichen Haftungsrisiken ausgesetzt. Spektakuläres Beispiel hierfür ist die Verhängung einer Geldbuße von 201 Mio. € gegen die Siemens AG durch das Landgericht München I im Oktober 2007.
Von internationalen Gepflogenheiten ganz zu schweigen: Großbritannien hat zwischenzeitlich eines der schärfsten Anti-Korruptionsgesetze weltweit, den UK Bribery Act 2010. Der stellt die aktive und passive Bestechung unter Strafe, ebenso die Bestechung ausländischer Amtsträger und sogar das Versäumnis, Bestechung zu vermeiden. Und er gilt nicht nur für britische Unternehmen, sondern für alle, die in irgendeiner Form in Großbritannien Geschäfte machen.
Nur wer im Ernstfall vor Gericht Existenz und grundsätzliche Wirksamkeit von Kontrollen und Vor-sichtsmaßnahmen im eigenen Unternehmen nachweisen kann, hat eine Chance, den drakonischen Strafen zu entgehen. Die neuen Regeln bedeuten, dass in Großbritannien aktive Unternehmen für jedes Korruptionsvergehen irgendeines Mitarbeiters - oder sogar irgendeines Agenten oder Subunternehmers - irgendwo auf der Welt zur Verantwortung gezogen werden können. Dann können briti-sche Gerichte gegen Unternehmen und Privatpersonen Geldstrafen in unbegrenzter Höhe verhän-gen. Privatpersonen drohen außerdem bis zu zehn Jahre Haft, Unternehmen der Ausschluss von allen öffentlichen Aufträgen.
Wenn dann der Staatsanwalt klingelt, ist das kein Höflichkeitsbesuch, wie Hildegard Becker-Toussaint ausführte. Schnell kommen die Vorwürfe auch in die Öffentlichkeit und die Paragraphen 266 Abs. 1 und 13 StGB sind sofort erfüllt. Dort heißt es: Staatsanwaltschaften können bei der Verletzung von Kontrollmaßnahmen eine Strafbarkeit wegen Untreue durch Unterlassen zur Anklage bringen. Wer sich nie darum gekümmert hat, mit wem er Geschäfte macht und was in seinem Betrieb vor sich geht, wer nie Bewerber auf Herz und Nieren, bis hin zur Verifizierung ihrer vorgelegten Studienab-schlüsse überprüft hat, besitzt nun schlechte Karten. Nur Vorbeugen kann den eigenen Kopf retten.